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„Ökonomische Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif“

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Erscheinungsdatum:

17. September 2024

  • Institutionelle Investoren
universal spotlight Interview Moritz Schularick
Die Aufgaben für Politik und Wirtschaft sind enorm. Kann privates Kapital helfen? Foto: Markus Thoenen Quelle: iStock.com

Wirtschaftliche Abhängigkeit reduzieren, Energietransformation bewältigen, Infrastruktur ausbauen, Bildung als Ressource fördern, Verteidigung stärken – die Menge an Herausforderungen bringt Staaten an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Für die 

Bewältigung der anstehenden Aufgaben muss in vielen Bereichen viel mehr privates Kapital mobilisiert werden. Ein Gespräch mit Prof. Dr. Moritz Schularick vom Kiel Institut für Weltwirtschaft.
Prof. Dr. Moritz SchularickProf. Dr. Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft und Professor an der Universität Siences Po (Paris)

universal spotlight: Die Weltwirtschaft ist merklich im Umbruch. Worin sehen Sie unsere größten Herausforderungen?

Prof. Dr. Moritz Schularick: Wir denken jetzt nicht mehr nur über internationale Vernetzung nach, sondern auch über die Risiken und Nebenwirkungen ebendieser. Es geht um Abhängigkeiten, in erster Linie bei kritischen Rohstoffen oder von China und anderen Ländern.

Ökonomische Sicherheit ist als Begriff sehr wichtig geworden und ist das Begleitmotiv zum Globalisierungsprogramm. Ökonomische Sicherheit bedeutet, auch wenn Sand ins Getriebe der ökonomischen Arbeitsteilung kommt, hinreichend mit einem gesellschaftlich zu definierenden Grundbedarf versorgt zu sein. Dieser kann von Antibiotika bis hin zu spezialisierten Chips reichen.

Zur Sicherung können beispielsweise die Lieferketten diversifiziert, die Lagerhaltung erhöht oder Produktionskapazitäten in Europa aufgebaut werden. Klar ist: Ökonomische Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Es kommen Kosten auf Unternehmen und die Gesellschaften zu. Kosten vergleichbar mit einer Versicherungsprämie, die gezahlt wird, um im Ernstfall abgesichert zu sein – wobei man natürlich nie weiß, ob und wann dieser Fall eintritt.

Wenn wir den europäischen Blickwinkel verlassen: Gelten diese Herausforderungen auch für andere Wirtschaftsregionen?

China und die USA stellen sicher dieselben Fragen, allerdings kommt man von unterschiedlichen Ausgangspunkten auch zu unterschiedlichen Antworten. Aber alle sorgen sich um zu große Abhängigkeiten und subventionieren die einheimische Produktion. In Europa sind wir dabei noch nicht komplett auf eine Politik umgestiegen, die uns gänzlich unabhängig von den USA macht. Da wir in Sachen Sicherheitspolitik aber auch noch immer sehr abhängig sind, wäre ein solcher Kurs wohl auch unsinnig.

In China, wie auch in den USA, gibt es dagegen sehr deutliche Bemühungen, in kritischen Bereichen voneinander unabhängig zu werden. China verfolgt klar die Strategie, die starke Bedeutung des Außenhandels als Basis des Wirtschaftswachstums zu reduzieren und beispielsweise in Bereichen wie der Chip-Produktion für künstliche Intelligenz eigene Technologien zu entwickeln. In Amerika ist die Definition der strategischen Bereiche, die vom chinesischen Einfluss ferngehalten werden sollen, noch viel weiter gefasst.

Ein zweiter großer Komplex, der Unternehmen und Staaten weltweit in Atem hält, ist der Klimawandel bzw. die durch ihn erforderliche Klimatransformation. Wo liegen Schwerpunkte und Unterschiede in den Wirtschaftsregionen?

Die USA haben der Idee einer CO2-Bepreisung eine Absage erteilt, weil dort davon ausgegangen wird, dass diese politisch nicht durchsetzbar ist. Das Vorgehen ist umgekehrt: Über Subventionen soll die grüne Energie so billig gemacht werden, dass sie mit der braunen mithalten kann.

Die CO2-Bepreisung ist zwar der effizientere Weg, aber Subventionen treffen politisch auf weniger Widerstand. Am Ende haben doch alle Subventionen ganz gern, auch die Unternehmen. Aber es kostet den Staat natürlich mehr. Wir sehen das auch in der amerikanischen Haushaltspolitik. Zu deren Finanzierung sind die USA in einem so großen Umfang bereit zur Kreditaufnahme, wie er in Deutschland und Europa kaum vorstellbar ist. Wie es in den USA allerdings nach der Wahl im November weitergeht, ist sicher eine wichtige offene Frage.

Auf der anderen Seite des Pazifiks ist China meines Erachtens der unterschätzte Player in diesem Konzert. Zwar sind die CO2-Emissionen in China auch in den letzten Jahren weiter gewachsen, aber ich glaube, dass Chinas Plan in Europa und Amerika noch nicht in seiner Dimension verstanden ist. Die Emissionen Chinas sollen bis 2030 – vielleicht auch schon ein bisschen früher – ihren Höhepunkt erreichen und ab da drastisch fallen. China wird wahrscheinlich mit großer staatlicher Unterstützung und Subventionspolitik am stärksten darauf setzen, die für die Energietransformation zentralen Bereiche für seine eigene Industrie als globale Wachstumsquellen zu erschließen. In Stichworten: Solarenergie, Batteriespeichertechnologie, Windenergie. Global hat das bereits jetzt die Kapazitäten etwa im Bereich der Solarpanels und Windgeneratoren stark wachsen lassen, die Preise sind gefallen. Das macht die erneuerbaren Energien extrem kompetitiv, jedenfalls dann, wenn der Wind weht und die Sonne scheint.

Und wo steht Europa in der Klimatransformation?

Europa ist, glaube ich, ein bisschen das Sorgenkind. Es wurde auf CO2-Bepreisung und Grenzausgleichsabgaben gesetzt, die aber in politisch schweres Fahrwasser führten. Auch der Widerstand in der Bevölkerung, auf diese Weise die Transformation anzugehen, bleibt beträchtlich.

Zuerst einmal müssten CO2-Zertifikate so teuer werden, dass es wirklich wehtut. Doch ist dieser Weg unter Umständen zu steinig und schwierig für unsere Gesellschaft, die ohnehin mit erheblichen Polarisierungstendenzen zu kämpfen hat – auch bei Migration, demografischem Wandel und so weiter. Etwas mehr Pragmatismus täte gut. Wir sind zurzeit vielleicht zwischen den beiden anderen großen Volkswirtschaften eher unentschlossen und ein bisschen zögerlich. Wir haben zum Beispiel auch viele dieser grünen Technologien in Europa entwickelt, schaffen es aber oftmals nicht, diese wirklich als Wachstumsmotoren zu nutzen.

Was kann Europa jetzt tun? Wo sehen Sie das wirksamste Veränderungspotenzial?

Es ist gar nicht so sehr eine Frage des Geldes, sondern vor allem eine Frage der Instrumente und der Umsetzung. Ein Beispiel: Wir setzen stark auf Fördertöpfe mit durchaus beachtlichen Volumina. Aber die Bürokratie mit Hunderten von Seiten von Antragsformularen, Überprüfungen und Berichtspflichten führt dazu, dass man nur wenig „Bang for the buck“ bekommt, also mit dem Geld nicht so viel ausrichtet.

Prof. Dr. Moritz Schularick

Die Bürokratie führt dazu, dass nur wenig „Bang for the buck“ bleibt, sich mit dem Geld also nicht so viel ausrichten lässt.

Quelle: © ECONtribute

In Amerika entfalten dagegen die eingesetzten Instrumente offenbar eine erhebliche Dynamik. Denken wir an die dort üblichen Steuergutschriften. Diese sind sehr viel einfacher zu handhaben. Sie sind natürlich auch weniger zielgenau und es bestehen Mitnahmeeffekte. Aber auf der anderen Seite passiert eben etwas. Und die zusätzlichen Prozentpunkte beim Wachstum sind unter Umständen mehr wert als diese europäische Akribie, die zu Stillstand führt. Ich wäre da für ganz viel Innovation, Ideen wie Abschreibungen oder Steuergutschriften, die vielleicht auch angelegt, gehandelt oder monetisiert werden können. Hauptsache ist, dass ein Unternehmer, der ein tolles Projekt realisieren will, nicht erst einmal für zwei Monate ins stille Kämmerlein muss, um Antragsunterlagen auszufüllen.

Über einen zweiten wichtigen Punkt sprechen wir seit einem Jahrzehnt, machen aber nur Babyschritte voran: die Kapitalmarktunion. Die Finanzierung der Transformation braucht einen großen Kapitalmarkt. Die Mobilisierung von privatem und institutionellem Kapital stößt aber immer noch an die Grenzen von rund 20 wenig dynamischen nationalen Kapitalmarktstrukturen. Und da ist die in Europa schwächer ausgeprägte Wagnisfinanzierung noch gar nicht angesprochen.

Und worauf kommt es für Deutschland an?

Jeder hat inzwischen wohl verstanden, dass Deutschland keine guten Voraussetzungen für Energiekosten hat, die international ein Wettbewerbsvorteil wären. Und wir verfügen auch nicht über viele natürliche Rohstoffe.

Der Schlüssel für Deutschland: Wer keine natürlichen Rohstoffe hat, muss auf den Rohstoff Gehirn setzen. Bildung, frühkindliche Bildung, Schulen – das sind enorm wichtige Investitionsschwerpunkte. Und doch investieren wir weiterhin weniger als der OECD-Durchschnitt. Unser föderales System gibt den für die nationale Wirtschaftsentwicklung zentralen Faktor Bildung in die Hand von teilweise finanziell sehr schlecht aufgestellten Ländern. Wollen wir daran festhalten, was sich vor rund 75 Jahren ausgedacht wurde, oder müssen wir schauen, dass diejenigen, die für den Rohstoff verantwortlich sind, aus dem das Wachstum von morgen entsteht, auch die Mittel dazu haben? Die erforderlichen Veränderungen sind sehr komplex – aber eigentlich lösbar.

Ich denke, ein zweiter wichtiger Punkt ist, Fehler bei den Energiekosten zu vermeiden. Ein großer wäre es, energieintensive Industrien in Deutschland mit knappem öffentlichem Geld zu subventionieren, wohl wissend, dass diese nicht die Wachstumsmotoren von morgen sein werden. Bei ausgereiften Bereichen wie der Stahl- oder Grundstoffindustrie ist das Ende der Veranstaltung in Sicht, Subventionen würden also allenfalls die Eigenkapitalrendite der Unternehmen erhöhen.

Andererseits müssen wir natürlich beachten, dass gerade im aktuellen Transformationsprozess die Energiekosten nicht zu einem Wettbewerbsnachteil werden, der uns in den Bereichen wehtut, in denen wir auch morgen noch industriell präsent sein wollen. In vielen Bereichen spielen Energiekosten aber auch eine untergeordnete Rolle: Für Universitäten beispielsweise sind die Energiekosten egal, ebenso liegen sie für die meisten Spezialmaschinenbauer im niedrigen einstelligen Prozentbereich der Produktionskosten. Selbst für die Automobilindustrie sind es nur etwa 3 Prozent der Wertschöpfung.

Ein anderes Kernthema, das uns gerade hierzulande besonders umtreibt, ist Infrastruktur. Ein echter Wettbewerbsnachteil im globalen Vergleich?

Hier ist ein Rückstand Deutschlands nicht von der Hand zu weisen, wenn wir uns etwa die schwachen öffentlichen Investitionsquoten im OECD-Vergleich, den schleppenden Glasfaserausbau oder die Investitionen ins Schienennetz ansehen. Allein dafür gibt etwa die Schweiz pro Kopf viermal so viel aus – und dort wurde nicht 20 Jahre unterinvestiert.

Aufholen ist schwer, die Planungs- und Baukapazitäten sind endlich, obwohl man jedenfalls kurzfristig sicherlich auch handelbare Güter, also Baudienstleistungen, importieren kann und das auch tut. Grundsätzlich war das Land auf Sparen eingestellt und das fällt uns jetzt auf die Füße. Wir waren zu lange zu zaghaft beim Investieren – gerade in einer Zeit, in der wir für rund zehn Jahre fast Nullzinsen hatten und wir eine Menge zu sehr günstigen oder sogar negativen Renditen hätten finanzieren und jetzt auch noch die Schulden mit rund 15 Prozent in zwei Jahren hätten weginflationieren können.

Man könnte sich an den Kopf fassen. Nun aber kommen wir nicht darum herum, bei der Infrastruktur und gerade zum Beispiel bei den Stromtrassen im Ausbau schneller und entschlossener zu werden. Sonst bekommen wir die Energietransformation einfach nicht umgesetzt. Der Plan ist, das Land komplett zu elektrifizieren in allem, was Mobilität, Heizen und Energieverbrauch ist. Es wird sicherlich irgendwo ein paar Ausnahmen geben. Beim Fliegen, bei Schiffen, bei Bussen oder Lkw kann auch Wasserstoff eine Rolle spielen, aber Stromnetze sind hierzulande und anderswo unverzichtbar für die Transformation.

Bei alldem haben wir eine andere Herausforderung noch gar nicht angesprochen: Die öffentliche Hand wird für Verteidigung und Sicherheitspolitik in den nächsten zehn Jahren sehr, sehr viel mehr ausgeben müssen. Und die Politik muss sich Gedanken machen, wo die Ressourcen dafür herkommen sollen. Dabei werden wir im Haushalt umschichten und auch an die Sozialausgaben ranmüssen, um mehr in Sicherheit und mehr in Transformation investieren zu können. Das wird nicht populär sein. Und gerade bei den Verteidigungsausgaben wird das wahrscheinlich auch nicht von heute auf morgen gehen – wir können nicht einfach 50 Milliarden Euro im Bundeshaushalt zusammenstreichen, um davon die Bundeswehr aufzurüsten. Das sind aber in etwa die zusätzlichen Bedarfsschätzungen – pro Jahr.

Wo soll das Geld bei knapper Kassenlage herkommen, wenn eine Umschichtung von Etats nicht reichen wird?

Die Aufgaben sind enorm, ich sehe bei einer Netto-Staatsverschuldung von 45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aktuell nicht, wie wir das in makroökonomisch sinnvoller Weise ohne zusätzliche Kreditaufnahme zumindest in der Übergangsphase hinbekommen sollen.

Privates Kapital könnte die öffentlichen Kassen mehr als bisher entlasten, soweit nicht originär öffentliche Aufgaben betroffen sind, oder?

Ich finde das eine exzellente Idee. Es muss viel mehr privates Kapital mobilisiert werden – nicht nur, um Innovationen zu finanzieren und Wagniskapital bereitzustellen, sondern eben auch für diese klassischen Finanzierungsaufgaben im Bereich Infrastruktur.

Prof. Dr. Moritz Schularick

Es muss viel mehr privates Kapital mobilisiert werden.

Quelle: © ECONtribute

Wenn wir das etwa zunehmend bei Autobahnen mit Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor machen, dann wird es sehr stark auch darauf ankommen, dass wir Modelle noch mehr darauf abklopfen, dass sie wirklich für beide Partner attraktiv sind. Letztlich ist die Rechnung dabei im Prinzip volkswirtschaftlich relativ einfach: Die Effizienz in Sachen Planung und Durchführung, die mit privaten Finanzierungen kommt, muss viel größer sein, als nur den Finanzierungsvorteil des Staates auszugleichen. Und das ist in bestimmten Bereichen sicherlich der Fall. Wenn dem so ist, muss man das auch unbedingt tun. Ich würde sagen, dass man dann auch wieder ein bisschen großzügiger sein kann, Privatkapital ein bisschen stärker einbinden und die Investitionen für privates Kapital auch attraktiv machen kann. Denn am Ende haben wir sozial sehr viel davon, wenn wichtige Infrastrukturen erst einmal stehen.

Kann und sollte (teil-)private Finanzierung in allen Bereichen unterstützen, in denen sich heute Finanzierungslücken auftun?

Es gibt sicherlich Konstellationen – gerade im Gesundheitswesen, bei Krankenhäusern usw. –, in denen die Erfahrungen nicht immer ganz so positiv sind. Der Effizienzvorteil beim Management eines Krankenhauses ist schwieriger zu messen als der Effizienzvorteil bei einer Autobahn oder einer Bahnstrecke. Was heißt „effizient“ hier? Bedeutet es, Patienten so umfangreich wie möglich zu betreuen? Das wird schnell komplex. Aber wo es sinnvoll geht, kann sofort mehr privates Kapital zum Einsatz kommen.

Man hat dennoch den Eindruck, dass in anderen europäischen Ländern die Offenheit für die Beteiligung privaten Kapitals größer ist.

Es gibt viele Länder, in denen diese Instrumente durchaus mehr genutzt werden als in Deutschland – übrigens auch unter Wirtschaftsbeteiligung deutscher Unternehmen. Und es kann durchaus sein, dass die sozialen Renditen einfach deutlich höher sind, wenn privates Kapital eingebunden wird. Beispielsweise die sozialen Renditen eines funktionierenden Flughafens.

Aus sozialer Perspektive sind hohe Renditen für private Investoren nicht der Ausweis, dass irgendetwas schiefläuft. Im Gegenteil: Meine begründete Vermutung ist, dass der Staat aufgrund seiner viel geringeren Kapazitäten planungstechnischer und steuerungstechnischer Art, als sie vielleicht einmal vor 150 Jahren in einer preußischen Verwaltung zur Verfügung standen, gut daran tut, sich in den nächsten Jahren auf wirkliche Kernaufgaben zu konzentrieren. Es hilft nicht, sich in planerischen Dingen zu verheddern, in denen unter Umständen private Investoren einen Vorteil einbringen und in denen wir auf deren Ressourcen zurückgreifen können.

Im Gegensatz dazu sollten wir die knappen staatlichen Ressourcen auf wirklich zentrale Dinge wie Schulbildung und das Gesundheitssystem konzentrieren. Mit knappen staatlichen Ressourcen meine ich dabei nicht nur das Geld, sondern auch die Köpfe und die Ressourcen, um zu planen und durchzuführen. Also Konzentration auf das, was gesellschaftlich wirklich wichtig ist und wobei berechtigte Zweifel bestehen können, dass privat finanzierte Modelle sinnvoller sind. Aber die Dinge, die der Privatsektor machen kann, wie etwa Infrastrukturprojekte, sollten so weit wie möglich dem Privatsektor gegeben und es sollten verstärkt private Investoren einbezogen werden.

Herausforderungen sieht sich aber nicht nur der öffentliche, sondern auch der private Sektor gegenüber – gerade die Transformation erfordert bei Unternehmen hohe Investitionen. Wofür wird Kapital benötigt?

Wenn ich mit Unternehmerinnen und Unternehmern spreche, sind manche Dinge bei der Klimaadaption sofort verstanden: Alle verstehen, dass im Moment Solarpanels enorm günstig sind und dass es sehr einfach ist, das Fabrikdach mit Solarpanels zu bestücken. So können sie Strom relativ günstig nutzen, auch die Preise für Energiespeicher sind jetzt bei einem Bruchteil der Preise von vor zwei Jahren.

Es wird auch weiterhin bei Anpassung, Klima- und Energietransformation relativ viel passieren. Wir werden sicherlich auch bei Themen wie neuen Wertstoffkreisläufen investieren müssen. Bei der Autoindustrie und wie Mobilitätsfragen gedacht werden – da ist ebenfalls ein großer Bedarf. Oder gerade in Punkten, bei denen wir in Europa noch ganz gut aufgestellt sind, wie etwa der Industrierobotik.

Prof. Dr. Moritz Schularick

Ganz sicher besteht ein riesiger Kapital- und Investitionsbedarf bei der künstlichen Intelligenz.

Quelle: © ECONtribute

Und ganz sicher besteht ein riesiger Kapital- und Investitionsbedarf bei der künstlichen Intelligenz – gerade für viele Mittelständler. Hier schließt sich der Kreis übrigens zum gerade Gesagten in Sachen Investition in Energieerzeugung und Energieinfrastruktur: Denn insgesamt scheint mir ein unterschätztes Thema zu sein, wie sich durch den vermehrten Einsatz von KI in den nächsten Jahrzehnten die Energiebedarfsrechnungen verschieben werden.

In den USA werden bereits im Monatstakt wegen der energiehungrigen KI-Anwendungen die Schätzungen für den Energiebedarf angehoben. Für Deutschland gehen wir dagegen immer noch davon aus, dass unser Energieverbrauch insgesamt in den nächsten 20 Jahren um etwa 30 Prozent sinken wird. Ich verstehe nicht, wie das zusammenpasst. Entweder ist die Prognose, dass wir in Deutschland nie KI nutzen werden, oder irgendwas hakt gedanklich. Das macht also den Netzausbau noch dringlicher – und das, wo wir schon heute nicht hinterherkommen.

Über Professor Dr. Moritz Schularick

Prof. Dr. Moritz Schularick ist seit Juni 2023 Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Sciences Po (Paris). Darüber hinaus ist er Mitglied des DFG-Exzellenzclusters ECONtribute sowie ordentliches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Academia Europaea.

In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit Finanzmärkten und Vermögenspreisen, Fragen der monetären Makroökonomie und den Ursachen von Finanzkrisen und ökonomischer Ungleichheit.

Er berät regelmäßig Zentralbanken, Finanzministerien, Investoren und internationale Organisationen.

Prof. Dr. Moritz Schularick ist Preisträger des Leibniz-Preises 2022, Deutschlands wichtigstem Forschungspreis, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vergeben wird.

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